Design im Zentrum: Warum MINDT mehr ist als MINT plus D

Die internationale STEM-to-STEAM-Bewegung plädiert dafür, die Künste (Arts) systematisch in die klassischen naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen (Science, Technology, Engineering, Mathematics) einzubeziehen. In der deutschen Bildungslandschaft zeigt sich ein vergleichbarer Wandel: Aus MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – wird MINDT, wobei das D für Design steht. MINDT steht damit für einen erweiterten, interdisziplinären Bildungsansatz, der kreatives und gestalterisches Denken als integralen Bestandteil wissenschaftlicher und technologischer Innovation versteht.

Diese Idee entstand aus der wachsenden Einsicht, dass Fachwissen allein nicht ausreicht, um die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Bereits in den frühen 2000er-Jahren trieben Initiativen wie die der Rhode Island School of Design (RISD) und Vordenker wie John Maeda die Verbindung von Kunst und Technologie unter dem Begriff STEAM voran. Parallel dazu entstand in der Ingenieurausbildung eine ähnliche Bewegung: Das Buch A Whole New Engineer (Goldberg & Somerville, 2014) fordert einen Paradigmenwechsel hin zu einer ganzheitlichen Ausbildung, die neben Mathematik und Mechanik auch Kreativität, Empathie, Teamfähigkeit und Sinnstiftung vermittelt.

»Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik allein werden nicht zu der Art von atemberaubender Innovation führen, die das 21. Jahrhundert verlangt. Innovation entsteht, wenn konvergentes Denken […] mit divergentem Denken zusammenkommt – also mit Menschen, die professionell umherwandern, sich im Unbequemen wohlfühlen und nach dem suchen, was wirklich ist.«

Maeda, John. “STEM + Art = STEAM.” The STEAM Journal, vol. 1, no. 1, 2013. 1)

MINDT eröffnet neue Perspektiven für Lehre und Praxis. Es spricht unterschiedliche Lerntypen an, fördert selbstbestimmtes Denken und vermittelt Kompetenzen wie Problemlösung, Visualisierung, interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit. Diese Fähigkeiten sind längst nicht mehr nur in Design oder Wissenschaft gefragt, sondern gehören zum Kernprofil moderner Innovations- und Technologiekultur. Unternehmen suchen verstärkt nach Persönlichkeiten, die analytisch denken, aber auch kreativ gestalten, vermitteln und neu verknüpfen können.

Auch wirtschafts- und bildungspolitisch wächst die Bedeutung dieses Denkens. Weltweit werden gestalterische Fächer strategisch in technologieorientierte Programme eingebunden. Designmethoden wie Design Thinking, spekulatives Entwerfen oder visuelle Kommunikation finden Einzug in die Entwicklung nachhaltiger Technologien, datenbasierter Entscheidungsprozesse und digitaler Produkte.2), 3)

Mit Blick auf die Zukunft geht es bei MINDT nicht nur um neue Inhalte, sondern auch um neue Haltungen: Offenheit, Gestaltungswille und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte ästhetisch wie analytisch zu durchdringen und in gesellschaftliche Kontexte einzubetten. Herausforderungen wie Künstliche Intelligenz, Klimaethik, globale Gerechtigkeit oder virtuelle Realitäten erfordern genau diese Verbindung von Tiefgang und Vorstellungskraft.

Das Creative Technologies Lab versteht sich als konkreter Ort dieser Verbindung. Hier werden neue Formen des interdisziplinären Arbeitens erforscht, gelehrt und gestaltet – zwischen Technologie, Design, Kunst und Gesellschaft. MINDT ist dabei kein Modewort, sondern Ausdruck einer Überzeugung: Dass Innovation dort entsteht, wo Menschen nicht nur rechnen und analysieren, sondern auch gestalten, zweifeln, hinterfragen – und neue Perspektiven entwerfen.

3)
World Economic Forum – Future of Jobs Report (2023), https://www.weforum.org/reports/the-future-of-jobs-report-2023/