Otl Aicher (1922–1991) war einer der prägendsten Gestalter des 20. Jahrhunderts und gilt als Wegbereiter des modernen Kommunikations- und Corporate Designs. Sein Werk steht exemplarisch für die Verbindung von Gestaltung, Gesellschaftskritik und unternehmerischer Identität.
Bereits in jungen Jahren positionierte sich Aicher politisch gegen den Nationalsozialismus, verweigerte den Hitlergruß und war eng mit der Familie Scholl (Widerstandsgruppe Weiße Rose) befreundet. Diese Haltung der persönlichen Verantwortung und des Widerstands gegen Ideologien prägte auch seine spätere Arbeit als Gestalter.
1953 gründete Aicher zusammen mit seiner Frau Inge Aicher-Scholl und Max Bill die Hochschule für Gestaltung Ulm. Die HfG war eine der international einflussreichsten Designhochschulen nach dem Bauhaus und verfolgte ein interdisziplinäres Curriculum, das Gestaltung, Technik, Wissenschaft und Gesellschaft verband.
Aicher leitete dort die Abteilung Visuelle Kommunikation und setzte sich für ein rationales, systematisch aufgebautes Designverständnis ein, das nicht auf subjektivem Geschmack, sondern auf klaren Regeln und analytischen Prozessen beruhte.
Aicher war einer der ersten Gestalter, der Corporate Design als strategische Disziplin begriff. Er entwickelte Erscheinungsbilder, die weit über Logos hinausgingen und systematisch alle visuellen Kommunikationsmittel eines Unternehmens einbezogen.
Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt das Erscheinungsbild der Lufthansa (ab 1962), das bis heute in seinen Grundzügen erhalten ist. Auch für Braun arbeitete er an der grafischen Klarheit der Markenkommunikation.
Ein Meilenstein war das visuelle Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 in München, das bis heute als beispielhaft für internationales Design gilt. Aicher entwarf ein umfassendes Gestaltungssystem auf Basis eines Gitternetzes, das Plakate, Beschilderungen, Piktogramme und Farbsysteme integrierte.
Seine Piktogramme für die Sportarten setzten neue Standards für internationale, sprachunabhängige Leitsysteme. Seine Farbwelt brach bewusst mit der nationalsozialistischen Ästhetik früherer Spiele und setzte auf helle, freundliche Töne, die Offenheit und Weltoffenheit vermitteln sollten.
Neben seinen grafischen Arbeiten war Aicher auch als Typograf tätig. Er entwickelte unter anderem die Schrift “Rotis”, die kontrovers diskutiert wurde, da sie versuchte, serifenlose und serifenbetonte Elemente zu vereinen.
Unabhängig von der Bewertung der Schrift zeigte sich darin Aichers Interesse an Grenzverschiebungen und der Suche nach neuen gestalterischen Ansätzen.
Aicher veröffentlichte zahlreiche Schriften, in denen er Design als kulturelle und gesellschaftliche Aufgabe reflektierte. Werke wie „Die Welt als Entwurf“ zeigen seine Überzeugung, dass Gestaltung nicht nur formale Ästhetik, sondern immer auch ethische, politische und gesellschaftliche Verantwortung sei.
Er kritisierte Konsumverhalten, technokratisches Denken und die Banalisierung von Gestaltung zum bloßen Marketinginstrument.
In den letzten Jahren seines Lebens arbeitete Aicher zunehmend als Berater und Autor. Er starb 1991 bei einem Verkehrsunfall an seinem Wohn- und Arbeitsort Rotis in Bayern, wo er ein interdisziplinäres Gestaltungsbüro betrieb.
Sein Erbe lebt in vielen Bereichen des modernen Kommunikationsdesigns weiter – von der Corporate-Identity-Entwicklung über Piktogrammsysteme bis zur Leitsystemgestaltung.
Titel | Erscheinungsjahr | Autor | Co-Autoren |
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Analog und Digital | 1991 | Otl Aicher | |
Die Welt als Entwurf | 1991 | Otl Aicher | |
Gehen in der Wüste | 1982 | Otl Aicher | Ernst Jünger |
Otl Aicher: Designer. Typograf. Denker. | 2001 | Wilfried Nerdinger, Wilhelm Vossenkuhl (Hrsg.) |