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Speculative Design
Speculative Design beschreibt eine Designpraxis, die nicht primär auf die Lösung bestehender Probleme abzielt, sondern darauf, mögliche, alternative oder auch provokante Zukünfte sichtbar und diskutierbar zu machen. Im ursprünglichen Verständnis lag der Fokus darauf, zukünftige gesellschaftliche, technologische oder ethische Entwicklungen zu hinterfragen und dabei neue Perspektiven auf das Heute zu eröffnen. Entwürfe werden nicht als direkte Handlungsanleitungen verstanden, sondern als Werkzeuge, die Gedanken anregen, bestehende Annahmen herausfordern und Diskussionen über wünschenswerte oder problematische Zukunftsszenarien ermöglichen. Designprojekte spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie spekulative Ideen in konkrete, erlebbare Artefakte oder Szenarien übersetzen. Durch ihre Form, Materialität oder narrative Rahmung laden sie dazu ein, über zukünftige Möglichkeitsräume nachzudenken und neue Denkprozesse anzustoßen. Designer*innen übernehmen dabei die Rolle kritischer Gestalter*innen, die gesellschaftliche Debatten fördern und Reflexion über technologische, politische oder soziale Entwicklungen initiieren. Speculative Design versteht sich somit als kulturelle Praxis, die nicht voraussagt, sondern Fragen stellt und Imaginationen von alternativen Zukünften stimuliert.
In der heutigen Entwicklung wird der Begriff zunehmend auch im Kontext von Technologie- und Innovationsprozessen eingesetzt. Hier dient Speculative Design dazu, visionäre, aber bewusst auch herausfordernde Konzepte zu entwickeln, die Organisationen, Forschende und Entscheidungsträger*innen dabei unterstützen, blinde Flecken zu erkennen, ethische Dilemmata zu reflektieren und langfristige Folgen neuer Technologien abzuschätzen. 1)
Ob im kulturellen, politischen oder technologischen Bereich – Speculative Design eröffnet Denk- und Diskussionsräume, in denen nicht die Plausibilität, sondern die kritische Reflexion und Vorstellungskraft im Mittelpunkt stehen. Durch die bewusste Überhöhung, Verzerrung oder Umkehrung heutiger Trends schafft es Gelegenheiten, über alternative Möglichkeitsräume nachzudenken und gesellschaftliche Entwicklungen aktiv zu hinterfragen und zu gestalten.
Beispielprojekte aus dem Speculative Design
Weiter unten werden zwei Projekte aufgeführt, die exemplarisch für das Prinzip des Speculative Design stehen. Beide Projekte nutzen Design nicht, um sofortige Lösungen zu liefern, sondern um Debatten anzuregen, zukünftige Szenarien erfahrbar zu machen und gesellschaftliche Reflexionsprozesse zu initiieren. Sie zeigen, wie Gestaltung spekulative Fragen materialisieren kann, die im Alltag oft unbeachtet bleiben, und machen sichtbar, welche Auswirkungen heutige Entscheidungen auf mögliche Zukünfte haben könnten.
Foragers – Dunne & Raby
Das Projekt *Foragers* von Dunne & Raby spekuliert über eine Zukunft, in der Menschen durch genetische und technologische Anpassung in der Lage sind, ungenießbare Pflanzen selbst zu verdauen, um Nahrungsknappheit zu begegnen. Das Projekt stellt keine konkrete Zukunftsvision dar, sondern regt dazu an, über aktuelle Ernährungssysteme, Biotechnologie und ethische Fragen nachzudenken.
Weitere Informationen finden sich auf der Projektseite von Dunne & Raby: Foragers Project.
Republic of Salivation – Michael Burton & Michiko Nitta
*Republic of Salivation* von Michael Burton und Michiko Nitta spekuliert über eine Zukunft, in der Ernährung zentral gesteuert wird und auf individuelle Nährstoffbedürfnisse reduziert ist. Die Arbeit zeigt in Form von dystopischen Artefakten und narrativen Szenarien, wie sich Ernährungspolitik entwickeln könnte und welche sozialen Folgen dies hätte. Auch hier geht es nicht um Prognose, sondern um kritische Reflexion und das Aufzeigen möglicher Konsequenzen.
Weitere Informationen finden sich unter: Republic of Salivation.